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Tag 12 + 14 – Bindungstheorie und Feinfühligkeitskonzept

Die beiden Tage waren geplant mit einer Psychologin die uns an jeweils einem ganzen Tag diese beiden Themen näher brachte.

Ich hatte wirklich keinerlei Ahnung vorher was Bindung eigentlich ist. Ich dachte Bindung baut man immer zu anderen Personen auf. Eine Bindung hat sein Kind zur Mutter – ein Mann mit seiner Frau – und jeweils umgekehrt natürlich. Wir hatten auch schon von Bindungsstörungen gehört. Dass Bindung aber in jedem von uns verankert ist, Bindung zu sich selber – ein unsichtbares etwas dass in uns für Stärke und Ressilienz sorgt – davon hatte ich bis zu diesem Tag keine Ahnung. Bindung war also etwas wie Selbstbewusstsein, Liebe zu sich selbst, Standhaftigkeit. Irgendwas dass einem in der frühen Kindheit bereits mitgegeben wird.

Der Begründer der Bindungstheorie John Bowlby war Kinderarzt, Psychiater und Psychoanalytiker. Durch die neuen Ansätze die die reine Triebhaftigkeit von Freud wiederlegte war er damals anfangs in der Branche ein „Ausgestossener“

Die Bindung in einem Menschen ist eine Art angeborenes Motivationssystem. Wir alle wissen wie Säuglinge und Kleinkinder sich verhalten wenn sie alleine gelassen werden. Sie werden instinktiv von ihrem Bindungssystem geleitet und suchen Schutz bei einer Bezugsperson. Auch wenn heuer keine wirklichen Gefahren mehr lauern ist dass fest in unseren Kindern angelegt und war durchaus überlebenswichtig. In dieser sensiblen Phase der Gehirnentwicklung bildet sich also dieses Bindungssystem. Die Muster werden im Hirn angelegt und gespeichert. Das Kind lernt die Welt kennen – was es braucht und wie es das bekommt.

Die Bindungstheorie nimmt an dass eine sichere Bindung (einer der Bindungsstile) ein wesentlicher Grundbaustein für die Entwicklung des Kindes ist. Eine unsichere Bindung hingegen gilt als Risikofaktor für spätere psychische Erkrankungen. Je mehr Feinfühligkeit die Bezugsperson an den Tag legt – das Kind sozusagen liest – desto mehr kann das Kind eine sichere Bindung in sich aufbauen.

Bolby teilt die Entwicklung der Bindung in 4 Phasen:

  1. Die Vorphase (die ersten Lebenswochen in denen da Baby Bindungssignale aussendet an verschiedene Personen die rein dazu dienen dass seine Bedürfnisse befriedigt werden)
  2. enstehende Bindung (2. LM bis Ende 1. LJ – die Signale werden spezifischer und nur mehr an bestimmte Bezugspersonen ausgerichtet)
  3. ausgeprägte Bindung (das Kind sucht aktiv die Nähe seiner Bezugsperson/en, kann aber Reaktionen nicht einschätzen)
  4. reziproke Bindung (2 – 3 jährige Kinder, können bereits Reaktionen der Bezugsperson einschätzen und internalisieren – es speichert sich das also als Wert/Norm und als gültig ab)

Neuesten Erkentnissen zufolge beginnt die Bindung bereits pränatal mit der Hirnentwicklung im Mutterleib. Es gibt also pränatale Bindung zur Mutter und zum Zwilling. Das Gedächtnis hierfür ist bei der Geburt bereits funktionsfähig (wenn auch nicht kognitiv).

Mit Versuchen wurden Folgen von fehlender Bindung aufgezeigt. Diese Tiere wiesen erhebliche Stresshormonausschüttung auf bis hin zu Panikreaktionen. Die isolierten Tiere hatten ein abweichendes Sozial und Ausdrucksverhalten und konnten kein angemessenes Paarverhalten zeigen. Sie konnten auch ihren Kindern keinerlei Fürsorge entgegenbringen.
So grausam diese Versuche auch sind. Die Wichtigkeit dieser inneren Bindung sollte uns allen bewusst sein! Ein so ausschlaggebendes Element dass auch durch reine Vernachlässigung (ohne Misshandlung oder sonstiges) das Leben des Kindes maßgeblich beeinflusst. Und das Leben erschweren kann.

Mary Ainsworth hat 3 Bindungsstile erkannt. Man könne die Kinder also in je eine dieser Schubladen einteilen. Unsicher gebundene Kinder sind dabei aber noch nicht in irgendeiner Form Bindungsgestört – lediglich ausserhalb der Norm.

Die Norm ist die sichere Bindung. Die Bezugsperson bietet Nähe und Sicherheit. Die Aufmerksamkeit ist flexibel auf die Feinzeichen des Kindes ausgerichtet. Das Kind kann deshalb seine Emotionen ausbalancieren und zeigt sich offen für positive als auch negative Gefühle. Kinder zeigen fürsorgliches Verhalten, suchen Nähe in Stresssituationen und können auch negative Gefühle zum Ausdruck bringen.

Die unsicher gebundenen Kinder teilen sich in 2 Gruppen. Die unsicher vermeidenden und die unsicher ambivalenten.
Erstere – die Vermeider – erleben zurückweisende Bindungspersonen. Die Aufmerksamkeit ist deaktiviert. Dadurch beginnt das Kind seine Gefühle zu unterdrücken und deaktiviert somit auch sich selbst! Die Kinder wenden sich vermehrt der Sachwelt zu um Gefühle zu unterdrücken, sind gleichgültig und schützen sich durch fehlende Erinnerungen.
Die ambivalenten Kinder erleben unberechenbare Bezugspersonen – können also Reaktionen NICHT einschätzen lernen. Die Aufmerksamkeit ist dabei maximiert. Die Kinder fühlen eine Gefühlsüberflutung (da nicht einzuordnen) und eine Abhängigkeit die so gar nicht gegeben wäre. Die Kinder fühlen sich hilflos, klammern dadurch, dramatisieren stark. Sie bemühen sich stets um Aufmerksamkeit.

Ein 4. Typ – die hochunsichere Bindung oder auch desorganisierte Bindung bringen Kinder an den Rand der Überlebensfähigkeit. Diese Kinder bizarre Verhaltensmuster und Reaktionen. Sie erstarren innerhalb einer Bewegung (freezing) – zB laufen sie zu der Bindungsperson, halten aber inne und laufen dann weg. Die Kinder können sich auch zitternd auf den Boden werfen oder sich steif an die Bezugsperson klammern (den Kopf aber wegdrehen). Die Ursachen für diesen Bindungstyp sehen wir bei Missbrauch, Misshandlung oder frühe traumatische Erfahrungen.

Der Typ 4 weißt noch KEINE Bindungsstörung auf.

Wir haben dann gelernt wie wir die Bindungsstile sehen können. Wie sie dann auch in weiterer Folge diagnostiziert werden kann.

Unsere Vortragende hat uns auch noch Experimente gezeigt auf Youtube mit Kindern, bei denen die Bezugsperson zB den Raum verlässt und man beim zurückkehren den Bindungsstil erkennen kann. Sie hat diese Experimente aber auch kritisch gesehen. Sie selbst lehnt sie ab.

Dann kommt die Feinfühligkeit ins Spiel. Nur dadurch können wir die Feinzeichen der Babys und Kleinkinder lesen und deuten und das Kind somit in einem Modus der Sicherheit halten. Das Kind kommt in den Alarmmodus (Anspannung – Stress – Erregung). Durch das Erfüllen der Bedürfnisse können wir es beruhigen und in den sicheren Bereich zurückbegleiten. Weniger häufig aber auch gegeben ist ein abrutschen in den Minusbereich durch Lebensbedrohung (Erstarrung – Immobilisierung)
Gesteuert wird all das automatisiert von unserem Gehirn.

Bindung ist der Grund – warum es so wichtig ist Bereitschaftspflege von so jungen Kindern zu machen! Bindung ist das wofür wir Bereitschaftspflegeeltern sorgen können und dass das Kind für immer – egal ob es sich an uns je erinnern wird oder nicht – mitnehmen wird in sein Leben. Die Bindung die wir den Kindern mitgeben wird ihr ganzes Leben beeinflussen. Das ist unser Anteil am Leben der dieser Kinder den wir wirklich sehr ernst nehmen!

Eine Bereitschaftspflegemama – Ursula Majerczyk-Kuhn – beschreibt ihr Erfahrung:
„Meine Erfahrungen zeugen von einer entwickelbaren Bindungsfährigkeit. Einfach dadurch dass diese Kinder eine positive Bindungserfahrung machen können. Denn jede Beziehung trägt in sich die Möglichkeit bindungsfördernd oder störend zu sein.“
Lt ihr helfen den Kindern klare Absprachen, Grenzen die sichern, konsequent zur Sache aber nachsichtig sein zur Person. Man sollte selbst Verantwortung übernehmen und sich entschuldigen können . vorleben also. Authentisch und zuverlässig sein.

„Die ersten Jahre des Lebens sind wie die ersten Züge einer Schachpartie, sie geben den Verlauf und den Charakter der Partie vor, aber solange man nicht schachmatt ist, bleiben noch viele schöne Züge zu spielen“ Anna Freud

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